Beerdigung Yvonne Peppel am 11. September 2004

 

 

Gebet

Gott,

Du hast Yvonne zu dir in den Himmel geholt

Und wir können noch gar nicht so recht begreifen,

dass sie nicht mehr da ist, dass wir nicht mehr mit ihr zusammensitzen, mit ihr reden und

lachen werden.

Werden wir sie wieder sehen?

Und wie wird das sein, Gott?

Werden wir uns gegenseitig überhaupt erkennen können?

Ach, es nützt ja nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.

So gerne wir wissen möchten, wie der Himmel ist:

Unser Platz ist noch immer hier auf der Erde.

Wir müssen stark sein und weitermachen,

hilf du uns, Gott, unseren Weg zu finden,

Die Zeit, die vor uns liegt, wird schwer,

der Schmerz, die Tränen sind immer noch da.

Erst im Himmel gibt es keine Tränen mehr

und keinen Schmerz und kein verzweifeltes Schreien –

Aber wir sind noch nicht im Himmel,

wir sind immer noch da, mitten im Leben.

Hilf uns stark sein und weitermachen!

Yvonne ist bei dir im Himmel.

Lass uns erfahren, dass du uns auch hier auf unserer Erde nahe bist, Gott!

Amen!

 

Schriftlesung

Wie wird es sein im Himmel, fragt Eric Clapton in dem Lied „Tears in heaven“, das wir hörten. Einige Andeutungen finden sich im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung

Kap. 21:

 

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste

Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah eine neue Stadt von Gott aus

dem Himmel herabkommen. Und ich hörte eine große Stimme, die sprach: Seht her, Gott

wohnt unter den Menschen! Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der

Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Wehgeschrei noch Schmerz wird mehr sein; Denn

was war, ist vergangen. Und die große Stimme sprach: Siehe, ich mache alles neu!

 

 

 

Ansprache

Ein neuer Himmel und eine neue Erde – ohne Yvonne Peppel sieht die Welt für die Menschen

die sie kannten und liebten auf jeden Fall auch neu oder jedenfalls anders aus.

Alles sieht irgendwie anders aus seit letztem Dienstag, als die schreckliche Nachricht sich

verbreitete und keiner es so richtig glauben konnte und wollte, als Sie, die Eltern ins Krankenhaus nach Fulda fuhren und nur noch die tote Tochter betrachten konnten, als sich die

traurige Wahrheit herausstellte, dass da nichts mehr zu machen war, das alles ganz schnell

gegangen und Yvonne nicht mehr zu retten gewesen war.

Alles ist irgendwie anders geworden seitdem. Nicht nur, weil Yvonne uns fehlt mit ihrem

Lachen, ihrem Optimismus, ihrer Lebenslust, ihrer ganzen eigenen Art. Es ist auch anders,

weil der Tod plötzlich so erschreckend nahe ist. Ganz anders als wenn alte Menschen sterben.

Dann kann man sagen: Seine oder ihre Zeit war gekommen. „Sie starb alt und lebenssatt“ konnte ich diese Woche guten Gewissens sagen, als wir eine 90jährige begruben.

Yvonne aber war jung und lebenshungrig. Ihre Zeit war beileibe noch nicht gekommen.

Oder etwa doch? Sollen wir glauben, dass es Gottes Wille war? Sollen wir glauben, dass es so

beschlossen war, im Himmel, dass Yvonne jetzt schon gehen muss?

Ich kann es beim besten Willen nicht sagen….

Auf jeden Fall beruhigt der Gedanke, dass Yvonne mit ihren 16 Jahren, so intensiv gelebt hat,

dass man fast glauben möchte, sie hatte eine innere, unbewusste Ahnung von der Kürze ihres

Lebens.

Sie hat sich ja wohl in der Teenagerzeit so richtig gemausert und aus dem noch ein bisschen

unsicheren Mädel wurde eine selbstbewusste, hübsche und vielerorts beliebte junge Frau.

Als Volkartshainerin kam sie zu uns in die Konfirmandenstunde. Und die Jugendlichen aus

Volkartshain haben immer ein bisschen einen schweren Stand, sie kennen die Ober-Seemer ja

nicht aus der Schule und es ist immer ein bisschen Glückssache, ob Freundschaften entstehen

oder nicht.

Yvonne hatte da aber keinerlei Probleme, sie fand gleich Kontakt und befreundete sich nicht

nur in der Konfirmandengruppe, sondern schloss weitere Freundschaften in Ober-Seemen.

Den Dominik, ihren guten Freund, und vielleicht noch andere kannte sie ja eh schon lange.

Sie besuchte außerdem gerne die Mega-Star-Disco-Parties und tat da auch öfters Theken-

Dienst. Und so könnte ich noch alle möglichen Ortschaften rundum aufzählen, wo Yvonne

Freunde hatte.

Ihr habt Euch ja oft in dem Partyraum bei Marcel getroffen, den ihr euch in lobenswerter

Eigeninitiative eingerichtet habt, nachdem in Ober-Seemen einfach kein geeigneter

Jugendraum aufzutun war. Ihr wart eine eingeschworene Gemeinschaft und habt miteinander

gefeiert und vieles miteinander geteilt. Freud und Leid könnte man fast sagen. Zum Beispiel

als Yvonne endlich ihren T-Führerschein machen konnte und dann reihum die Freunde mit

dem Bulldog besuchte. Da gäbe es einige Geschichten zu erzählen. Ihr seid durch dick und

dünn miteinander gegangen.

Mit ihren Eltern konnte Yvonne auch alles besprechen, was sie bewegte: Ein selten offenes

Verhältnis zwischen einer heranwachsenden Tochter und ihren Eltern .Sie wurde wohl von manchen heimlich oder offen darum beneidet. Sie, die Eltern, haben ihre Tochter den eigenen

Weg finden lassen, ihr Freiheiten zugestanden aber auch Grenzen gesetzt, wo es nötig war.

Und Yvonne war zwar sehr lebenslustig, konnte aber wiederum auch vernünftig sein, wenn es

darauf ankam. Niemals hätte sie sich zum Beispiel auf Drogengeschichten eingelassen.

Und sie war zwar ungeheuer modebewusst und bewies in der Gestaltung ihres Äußeren große

Phantasie und Geschmacksempfinden. Aber sie hätte niemals irgendeinen schrägen Quatsch

mitgemacht, nur um „in“ zu sein. Gegen schwarze Kleidung hatte sie eine bemerkenswerte 

Abneigung. Trug sie einmal schwarz setzte sie immer noch einen bunten Akzent.

Schwarz war ihr zu traurig. Ihr inneres Empfinden wahrscheinlich zu lebendig und zu farbig.

Auch da kommt man ein wenig ins Grübeln: Hatte sie nicht doch schon irgendeine Ahnung

und verabscheute deswegen alles Triste und Morbide?

Es hat keinen Sinn, da weiterzudenken. Aber wir dürfen für uns festhalten, dass Yvonne

sicher nicht wünschen würde, dass welche unter uns nun völlig und für immer in Traurigkeit

versinken. So wie sie dem Leben zugewandt war, so müssen wir, müssen Sie und müsst ihr

euch dem Leben wieder zuwenden.

Die Schule nahm Yvonne wichtig. Mit ihren Noten konnte sie zufrieden sein. Sie war ja

gerade auf die Max-Eyth-Schule nach Alsfeld gewechselt, eine Berufs- und Fachschule, wo

sie ihr Fachabitur machen wollte. Ihr Kumpel Ali hatte sie, wie immer, am Dienstagmorgen

mit dem Auto abgeholt. In der neuen Klasse hatte Yvonne auch bereits Anschluss gefunden.

Ihre Freundschaften konnte sie noch intensiver pflegen, seitdem sie mit ihrem Motorroller

herumdüste.

So richtig unvorsichtig ist sie spätestens wohl nicht mehr gefahren, als sie einmal auf einem

Schotterweg stürzte. Der Vater hat ihr eingeschärft, die Verkehrsregeln ja zu beachten und

vorsichtig zu sein. Der Unfall – wie auch immer es war, ich denke, wir müssen es als

tragischen Zufall betrachten, wie die Freunde aus Ober-Seemen –. Man möchte

gerne einen Schuldigen suchen, irgendjemand haftbar machen. Es wäre leichter zu sagen:

daran lag es, das war der Fehler, der ist schuld. Es ist schwer, zu akzeptieren, dass die

Sinnlosigkeit dieses Todes bestehen bleibt. Erklären lässt sich nichts. Und der Mann, der an

dem Unfall beteiligt war – für ihn können wir nur hoffen, dass er seines Lebens trotz dieses

Ereignisses wieder froh werden kann.

Yvonne hatte Pläne für ihr Leben. Sie träumte schon von dem Auto, dass sie sich mit 18

leisten wollte. Sie hatte berufliche Vorstellungen. Sicher hätte sie irgendwann mal geheiratet,

eine Familie gegründet. Sie war ja der Schwarm vieler junger Männer, hatte auch schon eine

feste Beziehung mit ihrem Freund Kai-Uwe erlebt und hätte sich die Männer aussuchen

können. Ihr Charme war überzeugend.

Und auch gute Freundinnen hatte sie. Zum Beispiel die Kathrin, die, glaube ich, ihre beste

Freundin war, so wie Dominik ihr bester Freund, wenn ich es richtig mitbekommen habe.

Allen voran war natürlich die eigene Schwester zugleich Freundin. Ihr beide wart sicher nicht

immer einer Meinung, habt euch aber immer ganz schnell wieder geeinigt, wenn es darauf

ankam.

Für das Wochenende war ja eine Fahrt nach Hamburg zum Musical König der Löwen geplant.

Wie viel hätte Yvonne noch sehen und erleben können!

Es hat nun keinen Sinn mehr, sich das alles ausmalen.

Der Taufspruch von Yvonne lautete:

„Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind“ (Luk. 10, 20b).

Yvonne war im Himmel vorgemerkt, ob schon für jetzt oder einen unbestimmten Zeitpunkt,

das lässt sich aus diesem Spruch natürlich überhaupt nicht ablesen.

„Ich will weg von hier“ ist eine Liedzeile aus einem von Yvonnes Lieblings-Songs von der

Gruppe Silvermoon. Mit Sicherheit wollte sie noch nicht weg aus diesem Leben und auf jeden

Fall ist sie nun reichlich verfrüht im Himmel angekommen.

Allerdings bin ich felsenfest davon überzeugt, dass Yvonne nun an einem Ort ist, der

unbeschreiblich schön und friedlich und beeindruckend und voller Liebe und Licht und Musik

ist. Menschen, die schon einmal ganz kurz hinüberschauen durften, beschreiben diesen Ort

jedenfalls als wahres Paradies. Und die, die wieder zurück in ihr Erdenleben geholt wurden,

sagten, sie wären am liebsten drüben geblieben.

Wir dürfen noch nicht an diesen Ort, wir müssen da bleiben, wo Gott uns hingestellt hat und

wo Gott uns gebrauchen will – und Gott braucht jeden und jede von uns für eine eigene

Aufgabe.

 

 

Sie, liebe Marion und lieber Eckhard Peppel müssen nun für ihre Franziska da sein und ihr in

der schwierigen Lebensphase positive Perspektiven für ihr Leben vermitteln.

Das verlangt auch von ihnen selber eine positive Sichtweise. Die will und muss natürlich erst

einmal wieder gewonnen werden. Aber ich habe Zutrauen, dass sie es schaffen werden.

Sie haben in den letzten Tagen so viel Freundschaft und Zuwendung erlebt, da können die

Wunden, hoffe ich auch wieder heilen und ich hoffe, dass sie ihre Stabilität bald wieder

spüren und ihrer Tochter ein Halt sein können.

Du, liebe Franziska, stehst vor der Aufgabe, dich selber zu finden, du selber zu werden und zu

sein. Mir ist es früher immer so gegangen, dass ich mit den Namen meiner beiden älteren

Schwestern angesprochen wurde. Ich fand das nie besonders toll, aber du stehst vielleicht darüber. Auf jeden Fall bist du die einzigartige Franziska Nr. 1 und nicht Yvonne Nr. 2!

„Siehe in meine Hände habe ich dich gezeichnet“, das war ein Bibelwort, über das ich bei

Yvonnes Konfirmation gepredigt habe. Die Konfirmanden hatten damals ihre Hände

nachgezeichnet und ich hatte diesen Bibelspruch hineingeschrieben.

„Siehe in meine Hände habe ich dich gezeichnet“.

Ob wir leben oder tot sind, wir sind in Gottes Hand und können nie tiefer fallen als in Gottes

Hände.

Ich wünsche Ihnen, wünsche Euch und uns allen, dass uns dieser Glauben erhalten bleibe oder

aber neu geschenkt werde.

Ich wünsche – in allem Schrecklichen, das uns verstört hat und noch immer verstört – dass der

Glaube an das Leben siegt!

Amen.

 

Knocking on heaven`s door von Gun`s and Roses wurde auf dem Weg zum Grab gespielt.